Nachruf 2025

Lieber Elhadj,

in wenigen Stunden jährt sich der tragische Unfall zum siebten Mal. 7 Jahre – wo ist die Zeit bloß geblieben? Mittlerweile nehmen Jugendliche an den Begegnungsreisen teil, die dich lediglich aus Erzählungen kennen. Und dennoch bist du noch immer so präsent in all dem, was AKS und EDF seit 2018 zusammen unternehmen. Es ist kaum zu glauben, aber seit 3 Monaten läuft der Kindergarten- und Schulbetrieb im nach dir benannten Bildungskomplex.

Vor gut einem Jahr beendete ich meinen Brief wie folgt:

„Wir werden unsere Herzensgeschichte mit aller Kraft und Zuversicht fortschreiben und ich freue mich bereits heute auf den Januar 2025. Dann werde ich dir hoffentlich von den ersten Kindergarten- und Grundschulaktionen im Bildungskomplex „Elhadj Mamadou Diouf“ berichten können.“

Schreiben und sagen kann man viel, glücklicherweise haben wir auch Taten sprechen lassen. Hinter uns allen liegen rasante, intensive, anstrengende und immens wichtige 12 Monate, die allein schon für ein neues Buch unserer mittlerweile fast 13-jährigen Brücke reichen würden. Und wieder gab es so unglaubliche Zufälle (??) oder Fügungen, wie wir sie zusammen auch so häufigerleben durften. 

Die Gefühle während der Eröffnung der Gebäude im Mai 2024 werden alle Anwesenden nicht mehr vergessen. Dort, wo vor wenigen Jahren noch Pferde, Ziegen und einige Bäume standen, türmten sich drei Gebäude auf, die von nun an hunderten (über die Jahre tausenden) Kindern den Zugang zu Bildung ermöglichen sollen. Bassirou und seinem Team war die Mühe der ganzen Vormonate und zugleich der berechtigte Stolz, alles geschafft zu haben, anzumerken. Als wir Tische und Stühle in die Gebäude trugen, als neugierige Kinder aus der Nachbarschaft die neuen Klassenräume inspizierten und als wir über die Auswahl der Lehrkräfte und Erzieher sprachen, da wurde alles plötzlich so konkret. 

Wenige Tage danach durfte ich auf dem roten Sofa unsere Geschichte erzählen und – natürlich – war auch das Datum hoch symbolisch. Am gleichen Tag lag dein Geburtstag und ich merkte, wie sowohl der Moderator als auch das Team rund um die Sendung berührt waren von dem, was wir gemeinsam begonnen haben. Niemals vergessen werde ich den Empfang durch meine Familie vor dem Hotel, die Kleinen hatten ihren Papa im Fernsehen gesehen und zunehmend verstanden, was das mit „Senegal“, „Bassirou“, „EDF“, „Djibril“ und „Gala“ alles zu bedeuten hat. Noch Monate danach werde ich auf diese Sendung angesprochen und jede Emotion, jedes Lob, jede Neugier ist auch immer dir gewidmet. 

Viele weitere besondere Ereignisse folgten und überall dort, wo ich Menschen von unserer Brücke berichte, fällt auch dein Name. Auf dem Weg zu einer Auszeichnung in Hannover fragte mich eine Schülerin, ob es für mich bei der Vielzahl von Begegnungen und Ereignissen das eine Highlight gibt oder überhaupt geben kann. Spontan verneinte ich die Frage, nach einigem Nachdenken fiel mir jedoch ein sehr besonderer Moment ein: Es war an einem Donnerstag im Mai, ich spazierte ganz allein und mit erfülltem Herzen – wie einst Franz Beckenbauer nach dem WM-Sieg in Italien – über das Schulgelände in Mbadakhoune und realisierte nur für mich, was hier eigentlich über die Jahre entstanden ist und was an diesem Ort von nun an passieren wird. All der Aufwand und die viele Zeit haben sich gelohnt. Aus einer Idee war ein Traum und aus diesem Traum war Realität geworden! Der Dank an all die Stiftungen, Firmen, Privatleute ist so immens, nur gemeinsam war all das möglich. 

Es gab so viele weitere großartige Begegnungen mit Menschen, die sich von unserem Herzensprojekt haben berühren lassen. Ob an Filmabenden in der Schule, im Kino, per Mail, per WhatsApp, im Alltag oder auf der Gala – stets spürt man, dass wir nicht nur die Jugend, sondern auch die Erwachsenen erreichen. Ob ein Fotograf aus der Schweiz, ein aus Italien angereister Weltstar, ein Top-Model aus München, eine Ski-Legende aus Österreich, ein Tenor aus der Dominikanischen Republik, eine Sandkünstlerin aus Süddeutschland, ein bekannter Sänger und Songwriter aus Berlin oder eine Poetry Slam-Europameisterin aus Nordhorn – sie alle zeigten sich begeistert, berührt und beinahe stolz, ihren Beitrag zur Brücke zu leisten. Der Galaabend vom 04.12.2024 war ein Fest unserer Brücke und als zu Beginn deine Stimme erklang, dürften bei so manchem Besucher Erinnerungen an Begegnungen mit dir hochgekommen sein.

Nun steht in wenigen Tagen die nächste Reise nach Kaolack an. Wieder macht sich eine Delegation von Junior-Botschafterinnen und Junior-Botschaftern samt zahlreicher weiterer Brückenbauer auf den Weg ins Land der Teranga. Wieder warten unvergessliche Momente, bereichernde Begegnungen und prägende Erfahrungen auf uns alle. Genau das ist es, was mir für jede neue Reise Kraft und Zuversicht gibt. Begegnungen zwischen Menschen sind nie gleich. Unsere Brücke verdient noch viele weitere Austausche und der Kern des Ganzen war und ist immer die Jugend. Als mich heute und vor wenigen Tagen jemand fragte, welche Ziele wir nunmehr haben, dauerte meine Antwort nicht lange: Gebäude bauen ist das eine, Bildungserlebnisse gestalten das andere. Es sollen von nun an viele junge Menschen von inspirierenden Lehrkräften und Erziehern profitieren, unser erstes Kennenlernen kann ich kaum erwarten. Wir versuchen, eine Freundschaft zwischen der Ecole maternelle Elhadj Mamadou Diouf und dem Wulftener Kindergarten anzubahnen, somit wäre auch „deine deutsche Heimat“ ein noch präsenterer Teil der Brücke. Darüber hinaus schweben so viele weitere Projektideen in unseren Köpfen…

Kurzum: Die Bauten stehen, aber die Arbeit ist weiter in vollem Gange.

Max Giesinger singt in seinem Lied „Die Reise“ folgendes: 

So laufen die Jahre weiter ins Land,so fängt das Neue nach dem Alten an.
 Wir sind auf der Reise und irgendwann
kommen wir an, kommen wir an.
 Wir starten von vorne, geben fast auf
,wir stolpern und fallen und ziehen uns wieder rauf.
 So laufen die Jahre und irgendwann
kommen wir an, kommen wir an.

Mit dem Schulstart im vergangenen Oktober fühlte es sich für einen kurzen Moment so an, als seien wir wirklich angekommen. Wenige hundert Meter von dem Ort, wo du mir einst von deinem Traum („ein Haus Osterode“) berichtetest, steht nun der Bildungskomplex Elhadj Mamadou Diouf.

Mögen uns noch viele weitere Menschen unterstützen, Brückenschläge gelingen und aus Träumen Realitäten werden. 

Eine bekannte Stifterin lernte mich Mitte des vergangenen Jahres per Videokonferenz kennen und ihr gelang ein sehr treffender Satz, den ich wohl nie vergessen werde: 

„Herr Rusteberg, ihr Herz schlägt Afrika.“

JA, so ist es und das ist das Resultat unserer sechs gemeinsamen Jahre. Sowohl die AKS als auch die Akteure am Lycée ValdiodioNdiaye und am Cours Privé Mboutou Sow leisten großartige Arbeit für unsere Brücke. Wir alle können das leider nicht mehr mit dir zusammen, sehr wohl aber in deinem Sinne machen. 

Ruhe in Frieden – Brückenbauer, Freund und Bruder!

Tobias

Wulften, 14.01.2025

Weitere Artikel:

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner